Maurice Sendak: Wo die wilden Kerle wohnen – Kinderbuchklassiker

Eltern lieben ihre Kinder so, wie sie sind, und schenken Grundvertrauen und Raum für das Ausleben von Emotionen.

Botschaft von Max‘ Mama

Über das Buch

Wo die wilden Kerle wohnen erschien 1963 bei Harper & Row unter dem Titel: Where the Wild things are. Der amerikanische Autor und Illustrator Maurice Sendak schrieb den Text und gestaltete passend dazu die Bilder. 1967 erschien die deutschsprachige Ausgabe.

Sendaks Aussagen zu Folge wurde das Buch kurz nach der Entstehung in manchen Bibliotheken verboten und erhielt auch schlechte Rezensionen, da es zu „grauslich“ sei. Der Erfolg stellte sich jedoch bald ein, da Kinder sich vom Buch magisch angezogen fühlten und auch Lehrer und Erzieher den Wert erkannten.

Inhalt von „Wo die wilden Kerle wohnen“

Max ist ein wilder Junge, als er eines Abends wieder sein Wolfskostüm trägt und es zu toll treibt, schickt ihn seine Mutter ohne Abendessen ins Bett. Alleine in seinem Zimmer verwandelt sich dieses in eine fantastische Welt und er reist in das Land der wilden Kerle. Dort wird er zum König und kann tun was er will. Doch irgendwann fühlt er sich ganz alleine und kehrt zurück nach Hause: dorthin wo man ihn am meisten liebt.

Maurice Sendak: Wo die wilden Kerle wohnen
Maurice Sendak: Wo die wilden Kerle wohnen

Visuelle Gestaltung von „Wo die wilden Kerle wohnen“

Die Illustrationen erstrecken sich jeweils über zwei Seiten und sind in gebrochenen Farben gehalten. Es dominiert ein Farbklang von Gelb, Aprikose, Salbei und Graublau, kontrastiert mit schwarz und weiß. Die Farbe ist flächig aufgetragen und wird durch Schraffuren mit Tusche strukturiert.

Die Konturen der Figuren sind linear und geschwungen angelegt. Die Anmutung ist eine phantastische, die durch die flächige Gestaltung jedoch einfach zu erfassen ist. Schon ohne den Text ist das Blättern im Buch ein Genuss.

Psychologische Ebene von „Wo die wilden Kerle wohnen“

Instinktiv verstehen Kinder die märchenhafte Sprache. Das Wolfskostüm, das Max trägt versinnbildlicht in seiner archetypischen Wildheit den Trotzanfall und das Zimmer die Seele des Kindes.
Max ist gefangen in seinem Wutanfall und tobt und wütet, doch ist er dort alleine und kann zunächst keinen Ausweg finden. Die wilden Kerle versinnbildlichen verschiedene Gefühlszustände.

Als Max sich alleine fühlt und zurück kommt aus dem Land der wilden Kerle, dorthin wo man ihn am meisten liebt, steht sein Abendessen auf dem Tisch. Der schönste Satz des Buches ist dann auf der letzten Seite zu lesen:  “ … und es war noch warm.“
Dies vermittelt den Kindern Sicherheit:  ihre Eltern lieben es, auch wenn es sich aufführt und zu den wilden Kerlen reist und wenn das Kind von einer solchen Reise zurück kommen, ist ihm die Versorgung und die Liebe der Eltern gewiss.

Den seeelischen Zustand des Tobsuchtsanfalles in einer metaphorischen Sprache genauso darzustellen, dass Kinder instinktiv verstehen, ist die große Stärke des Buches. Gleichzeitig zu vermitteln, dass das Kind trotzdem so geliebt wird wie es ist, ist ein noch größerer Verdienst. Und genau diese Gewissheit, geliebt zu werden, egal wie man sich benimmt,  ist grundlegend, um Urvertrauen zu entwickeln.

Empfehlung

Das Buch empfiehlt sich nicht nur für Kinder in der Autonomiephase, sondern auch für deren Eltern. Diese geraten ja auch immer wieder an ihre Grenzen und selbst wenn sie es theoretisch besser wissen, können sie sich manchmal vielleicht auch nicht anders helfen, als das Kind in sein Zimmer zu sperren. Kinder finden sich instinktiv wieder, fühlen sich nicht nur verstanden, sondern auch aufgefangen.

Ich schaue das Buch mit meiner Tochter nach einem überstandenen Wutanfall sehr gerne an. Sie kuschelt sich dann an mich und sagt immer wieder: „Ich hatte mein Wolfskostüm an, so wie der wilde Max im Buch“. Und wenn wir die Bilder der wilden Kerle anschauen, sagt sie: „Das ist die Wut auf die Mama, weil sie sich um die kleine Schwester gekümmert hat.“ „Das ist die Wut, weil die Mama nicht gemacht hat, was ich will.“ Usw.

So ist alles gut … bis zum nächsten Wutanfall, der unter Umständen darin besteht, dass sich Karotten im Abendessen finden.

Aber Spass beiseite, nicht nur die metaphorische Geschichte mit den starken, bildhaften Handlung ist wertvoll für Kinder und Eltern. Vor allem auch die visuelle Gestaltung mit den wundervoll changierenden Farben und den linearen und geschwungenen Konturen ist zeitlos schön und wirkt erstaunlich modern.

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