Simona Ciraolo: Wir Schüchternen

„Gib mir Zeit und sei Geduldig mit mir. Und wenn Du mich zu Deinem Geburtstag einlädst, wirst Du feststellen, dass es sich lohnt, mich kennen zu lernen.“

Botschaft von Maurice

Über das Buch

Die italienisch stämmige Simona Ciraolo lebt und arbeitet als Illustratorin und Kinderbuchautorin in England. Dort studierte sie auch Kinderbuchillustration. Ihr Stil zeichnet sich durch zarte, ineinander fließende Farben aus. Sie kombiniert zeichnerische Linien mit auquarellierten Flächen.

Nostalgische Reminiszenzen erinnern an Kinderbuchillustrationen der 1950er Jahre. Ihre Bücher thematisieren einfühlsam und bildhaft kindliche Gefühle und Empfindungen.

Inhalt

Maurice, die kleine Dumbokrake kommt in die Schule. Da ihn fremde Leute, die ungewohnte Umgebung und der Trubel verunsichern, versteckt sich Maurice. Er ist sehr schüchtern.
Doch ist er alleine zu Hause, öffnet sich sein Inneres. Eine reiche Phantasie, Liebe zu Musik und Tanz charakterisieren die Tiefe seines Charakters und eine Seite, die er nicht nach außen zeigt.

Schließlich wird Maurice zu einem Kindergeburtstag eingeladen. Obwohl er nicht hingehen möchte, bringt ihn die Mutter hin. Und so macht er dort  eine Begegnung, die sein Leben verändert.

Visuelle Gestaltung

Die reiche Unterwasserwelt mit unterschiedlichen Fischen, Korallen, wogenden Pflanzen und tiefen Wasserschleiern fasziniert den Betrachter. Die Illustrationen eröffnen eine reichhaltige und fantastische Dimension. Zart chanchierende und schillernde Rosétöne und Pastellfarben, die ineinander fließen, verschwimmen vor unseren Augen.
Die zarten, blassen Farben, die ineinander fließenden Übergänge der Aquarelltechnik passen zum Inhalt des Buches. Sehr sensible Pinselführung und gezielt eingesetzte Kontraste unterstreichen die poetische Stimmung der Bilder.

Der Stil erinnert von Farbigkeit und Strichführung an die Kinderbuchillustrationen der 1950er Jahre und erlangt dadurch einen nostalgischen und bezaubernden Charme.

Psychologische Ebene

Gerade für schüchterne oder zurückhaltende Kinder ist dieses Buch geeignet. Es zeigt Ihnen, dass es nichts Schlechtes ist, wenn man nicht laut und extrovertiert ist. Es ist in Ordnung, anders zu sein und es gibt andere Kinder, denen es genauso geht.

Kindern wird durch das Buch aufgezeigt, dass Intraversion und Schüchternheit nicht bedeutet, dass der Gegenüber „langweilig“ ist.  Es lohnt sich, wenn man diesem die Zeit gibt, die er braucht, geduldig ist und Vertrauen aufbaut, bis sich ein schüchternes Kind öffnet.
Denn oft ist mit Schüchternheit eine besondere Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen verbunden und wenn man nur genug Geduld hat, eröffnet der Gegenüber ein reiches Innenleben und lässt einen an Fantasie und Tiefe der Empfindung teil haben.

Empfehlung

Ich empfehle dieses Buch allen Kindern im späten Kindergarten- und frühen Grundschulalter. Es eröffnet Gesprächsmöglichkeiten mit den Eltern und es können folgende Fragen erörtert werden: warum fühle ich mich in fremder Umgebung oder in Gegenwart fremder Menschen unsicher? Wie kann ich lernen auf Menschen zu zu gehen?

Es bietet sich die Möglichkeit darüber zu sprechen, warum Menschen unterschiedlich sind und dass verschiedene Charaktereigenschaften gleichwertig sind und das Leben bereichern.
Ich selbst war als Kind sehr schüchtern und hätte mir ein solches Buch gewünscht. Auch bei meiner Tochter beobachte ich, dass sie oft erst einmal beobachtet und Zeit braucht, um sich zu etwas zu überwinden oder auf Andere zu zugehen. Sie liebt dieses Buch und gemeinsam philosophieren wir über die unterschiedlichen Fische und ihre Charaktereigenschaften.

Cornelia Wiesner, Nicola Rakutt: Freunde

„Wage es, zu vertrauen, dann findest Du Freunde und die Dinge gewinnen an Schönheit.“

Botschaft des Wolfes

Über das Buch

Die Autorin Cornelia Wiesner arbeitete in einer Kinderklinik und verarbeitet in diesem Buch die Unfallerfahrung ihrer Tochter. Es erzählt in Form einer Fabel die Geschichte um einen Wolf, der Freundschaft findet.

Die wundervollen Illustrationen stammen von Nicola Rakutt, einer Illustratorin und Kunsttherapeutin, die als freischaffende Künstlerin und Grafikerin arbeitet. Aus ihren Illustrationen sprechen die Liebe zur Natur und die Gabe zur Einfühlung.

Inhalt

Im Frühling ist ein junger Wolf flügge geworden und macht sich abenteuerlustig auf, den Wald zu erkunden. Doch kann er nur halb so viel Freude an der Betrachtung der Dinge finden, denn er ist alleine und hätte seine Erlebnisse gerne mit einem Freund geteilt.

Also spricht er andere Tiere an, ob sie nicht seine Freunde werden wollen. Doch sie fürchten sich vor dem wilden Wesen. Als er auf einen Bären trifft, der ihn seinerseits um seine Freundschaft bittet, fürchtet er sich zwar, aber durch den Perspektivwechsel wird ihm bewusst, warum die kleinen Tiere vor ihm geflohen sind. So entschließt er sich, dem Bär zu vertrauen und es gelingt ihm auch das Vertrauen der anderen Tiere zu gewinnen.

Gemeinsam retten sie schließlich das Reh, als dieses im Winter verwundet liegt und gewinnen so auch das Vertrauen dieses Tieres.

Visuelle Gestaltung

Die aquarellierten Zeichnungen, die das Buch bebildern, sind reduziert auf einfühlsame Tierportraits und angedeutete Landschaftsdetails. In realistischem Stil wird der Charakter der Tiere eingefangen und die zarten Farben sind nuanciert und stimmungsvoll eingesetzt. Sie laufen an den Rändern aus und rahmen den Text.

Der feinfühlige Pinselstrich, die zarten Farben und die lyrische Stimmung der Bilder harmonieren mit der Geschichte und fügen sich zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Hierzu tragen auch das Format des Buches und die qualitätvolle Materialität von Papier und Bindung bei.

Psychologische Ebene

Das Buch zeigt auf einfühlsame Weise, wie schwer es manchmal fällt, zu vertrauen und wie die Angst davor, verletzt zu werden einen davon abhalten kann, auf andere zu zu gehen. Die Geschichte führt jedoch vor Augen, dass die Möglichkeit, verletzt zu werden aufgewogen wird durch den Wert der Freundschaft und dass man im Leben manchmal einfach etwas  wagen muss.

Wundervoll finde ich auch, wie das Thema Diversität auf sensible und für Kinder verständliche Weise aufgegriffen wird. Unterschiedliche Spezies: ein Wolf, ein Vogel, ein Reh, eine Maus und ein Bär gehen eine tiefe Freundschaft ein. Jeder dieser Tiere hat andere Fähigkeiten und andere Eigenschaften, aber es verbindet sie die Wertschätzung des Gegenübers und das einander annehmen als Gleichwertig.

Empfehlung

Ich empfehle das Buch schon mit großen Kindergartenkindern und mit Schulkindern zu lesen. Zum einen ist es ein wundervolles Lesevergnügen die spannende Geschichte mit den schönen Bildern gemeinsam zu genießen.
Die Sprache ist poetisch und kraftvoll und erinnert in ihrem Duktus, in den Wiederholungen und in ihren archaischen Wendungen an alte Erzählungen und Märchen. Sie ist anspruchsvoll, lyrisch, aber doch für Kinder verständlich und vermittelt so auch Freude an Sprache und am Lesen.

Gleichzeitig bietet die Geschichte eine wundervolle Grundlage, um über die Themen Vertrauen und Freundschaft zu sprechen, gemachte Erfahrungen und auch Enttäuschungen zu reflektieren und dadurch Resilienz und Vertrauen in die Selbstwirksamkeit aufzubauen.

Anne-Friederike Heinrich: Allererstes ABC außergewöhnlicher Ausreden

Über das Buch

Anne-Friederike Heinrich, Kinderbuchautorin und Mutter, ist bereits durch Ihr Debut: „Mückebär und die Suche nach dem geraubten Winter“ keine Unbekannte mehr. Begleitet durch eine spannende Geschichte klärt der Kinderroman über den Klimawandel auf.

Nun schlägt die Schweizerin heitere Töne an. Das „Allererste ABC der außergewöhnlichen Ausreden“ ist ein wundervoll leichtfüßiges Buch, das die Freude am Spiel mit den Worten, die Liebe zur Sprache mit kindlichem Witz und Humor vereint.  Dabei werden Unfälle und Missgeschicke des Familienalltags mit liebevollem Blick unter die Lupe genommen.

Inhalt

Jeder Buchstabe des Alphabets stellt ein typisch kindliches „Vergehen“ mit der dazu passenden „Ausrede“ vor. Wortwörtlich „zauberhaft“ kaschieren die Zwerge kleine Unfälle im Haushalt, kindliche Streiche und vermeintlich verbotene Verhaltensweisen.
Dabei wird der Blick auf alltägliche Vorfälle gerichtet, die jede Mama und jeder Papa kennt: ob es der unerwartete Pups, das Treten auf Legosteine oder das wiederholte Umwerfen von Wassergläsern ist. Diese Vorfälle stellt Friederike Heinrich leichtfüßig, humorvoll und traumtänzerisch dar, so dass das gemeinsame Schmökern zum familiären Event wird.

Wer bislang nicht wusste, was eine Alliteration bzw. ein Stabreim ist, wird es durch dieses Buch lernen. Waghalsig und Zungenbrecherisch ist das Vorlesen so nicht nur Herausforderung, sondern ein riesiger Spass. Und jedes Familienmitglied möchte sich am fehlerfreien Vorlesen versuchen.

Visuelle Gestaltung

Illustriert wurde das Buch von Anke Evers. Sie verleiht jedem der Zwerge einen unverwechselbaren Charakter und passt Körperhaltung, Gesichtsbildung und Aussehen der jeweiligen Tätigkeit an.

Der Stil ist realistisch, jedoch grafisch vereinfacht und arbeitet mit linearen Konturen, dadurch werden Kontraste verstärkt und Bildaussagen unterstrichen. Auch die Farben arbeiten mit Komplementärkontrasten und unterstützen durch ihre fröhliche Buntfarbigkeit den Charakter des Buches.

Psychologische Ebene

Im Kindesalter entwickelt sich das Bewusstsein der Scham und die Fähigkeit zu erkennen, dass man gegen eine Regel verstoßen hat. Es ergibt sich daraus eine Mischung unterschiedlicher Gefühle: der Reiz, etwas Verbotenes auszuprobieren, das Bewusstsein, etwas falsch gemacht zu haben und/oder die Scham, wenn man dabei erwischt wird.
Dieses Gemisch an Empfindungen befähigt Kinder dazu, ihre Fantasie zu beflügeln und die unglaublichsten Ausreden zu ersinnen. Und genau hier setzt auch Friederike Heinrichs Buch an.

Mit Witz und liebevollem Scharfblick entlarvt sie solch unangenehme Situationen. In Stellvertreterfunktion der Kinder handeln hier die zauberhaften Zwerge und geben so die Möglichkeit zur Thematisierung, zum gemeinsamen Lachen und zum Dialog.

Sie entfachen die kindliche Fantasie und regen dazu an, das Leben dieser Zwerge weiter zu denken. So hat sich bei uns in der Familie schon ein Vertauschwicht eingeschlichen, der Schuld daran trägt, wenn etwas nicht  mehr am vorgesehenen Platze liegt.

Empfehlung

Ich empfehle das Buch zum einen jedem Schulkind. Auf solch spielerische Weise das Alphabet zu lernen und  dabei noch Spass zu entwickeln an den Möglichkeiten der Sprache, begeistert für das Lernen.

Aber auch kleineren und größeren Kindern empfehle ich das Buch als Vorlesebuch. Vor allem die gemeinsame Lektüre mit der Familie macht riesig Freude. Und das Konsultieren, sollte doch einmal einer getrödelt, genascht oder die Klorolle entwendet haben, entschärft jede Situation.
Denn gemeinsames Lachen ist noch immer die beste Medizin und heilt sicher auch schmerzende Füße, wenn man dann doch auf einen Legostein getreten ist.

Marie Voigt: Ein Funkeln im Dunkeln

„Wenn wir die Dunkelheit mit Licht füllen, brauchen wir keine Angst mehr vor ihr zu haben.“

Emmas Botschaft

Über das Buch

Marie Voigt, die Autorin und Illustratorin von „Ein Funkeln im Dunkeln“ ist Grafik Designerin und Schauspielerin. Im Schreiben und Gestalten von Kinderbüchern verwirklicht sie ihre Leidenschaft und möchte damit die Welt ein wenig glücklicher und heller machen.
Ihre Bücher bestechen vor allem durch ihre Einfühlung und den kindlichen Blick, sowie durch die poetisch magischen Bilder.

Inhalt

Bo, der Bär, eine Figur aus Emmas Büchern, fürchtet sich im Dunkeln. Plötzlich sitzt er auf ihrem Bett und die mutige, kleine Emma zeigt ihm, dass diese Angst unbegründet ist: denn nur wenn es dunkel ist, sehen wir das Licht und gemeinsam müssen wir uns nicht fürchten.

Bo und Emma gehen gemeinsam in einen dunklen Wald und bis in eine Höhle. Dort löschen sie ihre Laterne und sehen so das Funkeln im Dunkeln. Nachdem sie von ihrer nächtlichen Reise zurückkommen, bemerken sie wie die Straßenlaternen ihre Schatten an die Wand des Hauses werfen. Riesig sind sie.  Bo und Emma sind also innerlich gewachsen durch die gemeinsame Überwindung ihrer Ängste.

Visuelle Gestaltung

Vereinfachte, aber naturalistische Bilder illustrieren die Geschichte. Durch die Reduzierung auf Grundformen und die Betonung von Kreis, Kugel und Spiralformen wird Ihnen eine lyrische Note gegeben.
Die dunklen Blautöne verleihen den Abbildungen eine magische und geheimnisvolle Atmosphäre. Sie kontrastieren zum goldenen Licht der Laterne oder dem Funkeln der Sterne und lassen diese so leuchten.

Wundervoll und bezaubernd sind die Bilder anzusehen und künden von der Magie der Nacht.

Psychologische Ebene

Jedes Kind hat Ängste, vor allem die Angst vor dem Dunklen und Unbekannten sind im Kleinkindalter typisch. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, unsere Kinder hier ernst zu nehmen und liebevoll zu begleiten. Wenn wir eine wertschätzende Atmosphäre schaffen und so Grundvertrauen vermitteln, schaffen es unsere Kleinen, ihre Ängste aus eigener Kraft zu überwinden. Sie entwickeln Selbstvertrauen und das Gefühl der Selbstwirksamkeit.

Die Kommunikation und Fantasiereise der Protagonistin mit einem ihrer Kinderbuchhelden zeigt außerdem, wie das magische Denken von Kleinkindern funktioniert. Figuren aus Geschichten und die Welt um sie herum erscheint Kindern belebt.
Und auch wir Großen erwischen uns ja manchmal dabei, dass wir Tagträumen und in unserer Phantasie Mr. Darcy plötzlich vor der Türe steht.

Empfehlung

„Ein Funkeln im Dunkeln“ kann dabei helfen eine Gesprächsgrundlage zu schaffen und unseren Kindern so die Chance zu geben, sich vertrauensvoll zu öffnen. Es zeigt den Kindern, dass man daran wachsen kann, wenn man sich seinen Ängsten stellt. Auch vermittelt es das Bewusstsein, dass was uns zuerst unbekannt und beängstigend erschien, neue Welten und Sichtweisen eröffnen kann.

Meine 3jährige Tochter greift immer wieder zu diesem Buch, wenn Gesprächsbedarf da ist oder sie sich abends beim Schlafen gehen fürchtet. Die Geschichte macht ihr Mut und das gemeinsame Lesen vermittelt Vertrauen.
„Deine Hand in meiner, so gehen wir zusammen.“, sagt sagt sie auch im Alltag immer wieder und greift nach meiner Hand, wenn sie für etwas Mut braucht

Rian Visser, Noëlle Smit: Theodor trödelt

„Wir sind genau richtig für den nächsten Bus!“

Theodor zu seiner Mama

Über das Buch

Rian Visser ist eine niederländische Autorin und Grafikerin. Sie hat bereits über 50 Bücher veröffentlicht und lebt mit ihrer Familie in Haarlem.
Illustriert wurde „Theodor trödelt“ von Noëlle Smit, einer freischaffenden Kinderbuchillustratorin aus Amsterdam.

„Theodor trödelt“ ist ein wundervolles, buntes und leichtfüßiges Kinderbuch. Eine liebevoll erzählte Geschichte, die zeigt was im Leben wirklich wichtig ist und den Eltern den Spiegel vorhält.

Inhalt

Theodor ist immer zu spät dran. Seine Mutter treibt ihn beständig an, sich zu beeilen. Soll sich Theodor morgens für die Schule fertig machen, muss er unbedingt noch wichtige Dinge erledigen: ein Lied auf dem Klavier üben, die Spielzeugautos in den Schrank sortieren, damit die Mama nachher nicht wieder alles falsch einräumt oder einfach nur die Blumen betrachten oder mit der alten Dame an der Bushaltestelle plaudern.

Eines Tages kommt er wieder einmal zu spät in die Schule und es fällt ihm auf, dass Herr Vogel nicht da ist. Als er ihn endlich findet, sieht er ganz seltsam aus und er ruft die Lehrerin. Diese alarmiert den Notarzt und attestiert Theodor, dass er genau zur rechten Zeit gekommen ist.

Visuelle Gestaltung

Die visuelle Gestaltung ist einfach wunderbar: überbordend, frech, humorvoll, detailreich, bunt und fantasievoll. Die Protagonisten sind als Tiere dargestellt und es finden sich Igel, Hase, Vogel, Otter und Frösche.

Mit kraftvollen Umrisslinien und Farbflächen wird genauso gearbeitet, wie mit feinen oder aquarellierten Strukturen. Dazu kommen gekrakelte Linien und Schraffuren sowie gesprühte Farben. Diese Mischung aus verschiedenen Techniken verleihen den Bildern Lebendigkeit und Bewegung.
Es ist eine wahre Lust, sich in die Betrachtung zu vertiefen.

Psychologische Ebene

Das Buch führt vor allem uns Eltern das Zeitempfinden von Kindern vor Augen. Es macht uns deutlich, dass das Erleben im Hier und Jetzt so wichtig ist.
Kinder erleben den Augenblick und verlieren dabei schnell den Zeitplan aus den Augen. Wir als Eltern sollten hier mehr Geduld und Einfühlung aufbringen und auch mehr Gelassenheit.

Manchmal reicht es doch tatsächlich einfach den nächsten Bus zu nehmen.

Empfehlung

Dieses Buch eignet sich, um mit Kindern über Zeiterleben und Zeitempfinden zu sprechen, aber auch den Umgang von Eltern und Kind zu thematisieren.
Mir gefällt besonders, dass aus Sicht des Kindes das Verhalten der Mutter kritisch reflektiert wird. Es fordert einen dazu auf, sich an die eigene Nase zu fassen. Denn mal ganz ehrlich: wer kennt sie nicht, diese Hektik vor Kindergarten und Schule und dieses ständige: „Beeil Dich!“.  Schnell erwischt man sich dabei, dass man so ist, wie man eigentlich gar nicht sein will.

Wenn wir uns selbst aus der Distanz betrachten  und mit dem liebevollen Humor, wie es das Buch tut, kann dies sehr viel Entschleunigung und einen leichteren Umgangston in den Familienalltag  bringen.

Das Lesealter wird mit 7-8 Jahren angegeben, aber ich finde man kann es durchaus schon mit größeren Kindergartenkindern lesen und Freude daran haben. Meine Tochter liebt dieses Buch und sie ist gerade drei Jahre alt geworden!

Anne-Friederike Heinrich: Mückebär und die Suche nach dem geraubten Winter

„Hilf mir, die Eiskristalle zu befreien und die Arktis zu retten!“

Aufforderung Mückebärs an seine kleinen und großen Leser

Über das Buch

Anne-Friederike Heinrich ist Kinderbuchautorin und lebt mit ihrer Familie in der Schweiz. Mit Mückebär ist ihr ein spannender Kinderroman gelungen. Aus Sicht der Tiere wird leichtfüßig, aber doch ernsthaft auf die Probleme des Klimawandels aufmerksam gemacht. So wird die Geschichte flankiert von Informationen zu Flora und Fauna und Fakten über die Klimakrise.

Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung über die Klimakrise, dabei wird die Thematik kindgerecht aufbereitet und durch Einfühlung in die Situation Mückebärs und seiner Freunde die Dringlichkeit dargelegt, zu handeln und Verantwortung zu übernehmen.

Gleichzeitig vermittelt der Roman Hoffnung und zeigt, dass es nicht auf die Größe ankommt, wenn man Großes vollbringen möchte.

Inhalt

Mückebär ist ein Eisbär, gerade mal so groß wie ein Gummibärchen und lebt mit seinen Freunden am Nordpol. Durch das Abtauen des Eises verschwindet die Lebensgrundlage der Tiere, sie hungern und sind verzweifelt. Da berichtet der Polarfuchs von der sagenumwobenen Eiskönigin. Sie hat die Eiskristalle gefangen und in ihren Palast gesperrt.
Mückebär und die mürrischse Möwe Edla brechen auf, um die Eiskristalle zu befreien und den Tieren den Winter zurück zu bringen. Sie begeben sich auf eine abenteuerliche Reise, auf der sie den Folgen des Klimawandels begegnen und sich in große Gefahren begeben.

Visuelle Gestaltung

Das Buch ist schlicht gestaltet. In Relation zur Textmenge sind nur wenige Motive umgesetzt. Darunter die ikonische Abbildung der Eiskönigin, die ornamentalen Eiskristalle sowie einige Male auch Mückebär und seine Freunde. Bei den Abbildungen handelt es sich um monochrome Aquarelle in verschiedenen Grauabstufungen.

Neben der bildhaft erzählten Geschichte hätten die Fakten zu Flora und Fauna sowie die Informationen zum Klimawandel viel Material zur Visualisierung geboten. Zu Gunsten einer konzentrierten Zuspitzung auf den Inhalt tritt der gestalterische Aspekt in den Hintergrund.

Psychologische Ebene

Die besondere Stärke des Buches ist, dass es zur Identifikation mit Mückebär und den Tieren aufruft, die im Begriff sind ihre Heimat zu verlieren. Durch diese empathische Hinführung zum Thema werden Empörung über die Situation sowie Verantwortungsbewusstsein entwickelt.

Diese Einfühlung stößt Kinder dazu an, das eigene Verhalten zu hinterfragen und Handlungsoptionen abzuwägen.

Empfehlung

Das Buch ist jedem Kind im Grundschulalter zu empfehlen. Insbesondere, da neben der spannenden Geschichte über die aktuelle Klimakrise aufgeklärt wird. Dies geschieht kindgerecht und entlang der Erzählung.

Dabei wird nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf eine Verhaltensänderung gepocht. Durch Einfühlung in die Charaktere und Aufklärung über die Fakten wird ein Reflektionsvorgang und eine entsprechende Verhaltensänderung angestoßen.

Ich empfehle, das Buch gemeinsam mit den Kindern zu lesen und über die entsprechenden Abschnitte zu diskutieren. Durch die Tipps am Schluss und die Hinweise neben dem Text ergeben sich sehr gut Anknüpfungspunkte. So kann man als Eltern die Thematik in den normalen Familienalltag integrieren.

Kristin Franke: Das Osterschwein

„Du kannst sein was Du willst, egal was die Anderen sagen und ob sie lachen. Probier Dich einfach aus!“

Das Osterschwein

Über das Buch

Kristin Franke ist Mutter, erfolgreiche Geschäftsfrau und Inhaberin des tinyfoxes Verlags. Ihre Leidenschaften sind das Gestalten und das Schreiben, beides vereinigt sie in ihren Kinderbüchern. Diese sind einfühlsam und bestechen durch Fantasie und Humor.

Inhalt

Erzählt wird die Geschichte eines kleinen Schweinchens, das sich so sehr wünscht einmal Osterhase sein zu können. Als der echte Osterhase krank ist, wittert es seine Chance. Doch die Hennen müssen erst noch überzeugt werden. Zum Glück ersinnt das Schweinchen eine List …

Erzählt in leichfüßigem Tonfall und Reimform ist diese heitere Geschichte eine Freude für Kleinkinder ab 3 Jahre.  „Quatsch mit ganz viel Tomatensoße“, wie meine Tochter sagt und das ist eine große Auszeichnung.

Visuelle Gestaltung

Das Buch besticht durch wundervoll sanfte Farben, die wie Farbwolken vor dem Betrachter schweben und eine unbeschwerte Atmosphäre verbreiten. Dabei unterstützt die Aquarelltechnik mit den verschwimmenden Konturen die Leichtfüßigkeit der Geschichte. Die Figuren sind vereinfacht, aber in naturalistischer Manier dargestellt und ermöglichen dadurch für Kinder das Erkennen und Einfinden in die Geschichte. Bestechend ist die lyrische Qualität und Luftigkeit der Darstellung.

Psychologische Ebene

Kinder lieben es, sich zu verkleiden. Es ist spannend, in andere Rollen zu schlüpfen und andere Identitäten auszuprobieren. Für die Entwicklung von Kindern ist dieses „sich ausprobieren“ ungemein wichtig. Es ist Teil der Persönlichkeitsentwicklung.

Entsprechend fasziniert sind sie von der Geschichte und fiebern mit dem Schweinchen, das doch auch so gerne einmal Osterhase sein möchte. Sie fühlen mit und identifizieren sich. Und das Buch zeigt Ihnen, auch wenn die Anderen lachen und auch wenn man nicht mit den physischen Attributen geboren ist, die einer Rolle zugesprochen werden: wenn man mutig ist und schlau, kann man sein was man will.

Empfehlung

Das Buch ist für Kleinkinder ab ca. 3 Jahren zu empfehlen. Jüngere Kinder könnten auch irritiert sein, dass die Ordnung hier auf den Kopf gestellt wird und die Regeln wie etwas zu sein hat außer Kraft gesetzt werden. Oft macht es jüngeren Kindern Angst, wenn sich Figuren oder Personen verkleiden.

Ältere Kinder hingegen werden das Buch lieben, ein ganz großer Quatsch, der sehr viel Spass macht und inspiriert in andere Rollen zu schlüpfen, leichtfüßig erzählt und mit wundervollen einfühlsamen Bildern.

Die Fan Brüder: Wo die See auf den Himmel trifft – Kinderbuchtipp

Die Fan Brüder: Wo die See auf den Himmel trifft

In Gedanken sind wir den Menschen nahe, die wir lieben, auch wenn sie nicht mehr bei uns sind.

Finns Botschaft

Über das Buch

Eric und Terry Fan sind zwei Brüder, die in Kanada am Ontario Collage of Art and Design studiert haben. 2018 erschien das Buch unter dem Titel Ocean meets Sky. Weitere Titel der beiden Brüder sind: Der Nachtgärtner sowie Projekt Barnabus.
Alle Bücher beschäftigen sich mit der Endlichkeit und Schönheit der Dinge und bestechen durch inhaltliche Tiefsinnigkeit und Phantastik der Illustrationen.

Inhalt von „Wo die See auf den Himmel trifft“

Ein Junge vermisst seinen verstorbenen Großvater, darum baut er ein Schiff und reist dorthin, wo die See auf den Himmel trifft. Von diesem Ort hatte der Großvater in seinen Geschichten erzählt. Er passiert auf seiner Reise phantastische Orte wie die Bücherinseln oder das Meer der tanzenden Ohrenquallen. Am Ende seiner Reise hat er schließlich die Möglichkeit, noch einmal Lebewohl zu sagen, bevor er nach Hause zurückkehrt.

Die Fan Brüder: Wo die See auf den Himmel trifft
Die Fan Brüder: Wo die See auf den Himmel trifft

Visuelle Gestaltung von „Wo die See auf den Himmel trifft“

Die Illustrationen sind eine gelungene Mischung aus Bleistift und Tuschezeichnungen und digitaler Verfahren. Die Vorliebe für mechanische Uhrwerke und alte Technik verbindet sich mit dem Faible für Magie und fantastische Reisen. So entstehen Bilder, die sehr detailreich sind und voller phantastischer Details. Es verbinden sich Steampunk Motive wie Eisenbahnen, Uhrwerke, Heißluftballons mit Ansichten alter Bücher oder Bilder seltsamer Fische und Vögel, wie sie einem antiken Naturkundebuch entsprungen sein könnten. Damit laden die Bilder zum Entdecken und Träumen ein.

Psychologische Ebene von „Wo die See auf den Himmel trifft“

Die Geschichte ist tiefsinnig und leichtfüßig zugleich. Thematisiert wird die Trauer eines Kindes: ein kleiner Junge, vermisst seinen verstorbenen Großvater. Durch eine Traum- oder Gedankenreise nähert sich der Protagonist einem magischen Ort, von dem der Großvater in seinen Geschichten erzählte. Damit zeigt das Buch auf, wie wir in Gedanken lieben Menschen verbunden bleiben und wie wir gleichzeitig durch unsere Fantasie Trauerarbeit leisten können. In Gedanken lebt der Andere in uns fort.

Empfehlung

Das Buch richtet sich nicht nur an Kinder, die einen Trauerfall zu bearbeiten haben. Es kann hier generell thematisiert werden, wie es ist, einen Verlust zu verarbeiten oder wie man sich jemand in Gedanken nähern kann, dem man vermisst. Dies ist eine gedankliche Leistung, die Grundschulkinder bereits verstehen und zu verarbeiten in der Lage sind. So kann das Buch eine Basis für eigene Traumreisen bilden.
Doch nicht nur Grundschulkindern, sondern auch älteren Kindern und Erwachsenen lege ich dieses Buch ans Herz. Die Schönheit und Poesie der Bilder und die tiefgehende Geschichte von der Überwindung eines Verlustes ist ein Thema, das kein Alter kennt und uns alle berührt.

Pamela Zagarenski: Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben – Kinderbuchtipp

Pamela Zagarenski: Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben | © Katrin S. Knopp | www.katrin-knopp.de

„Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ von Pamela Zagarenski ist ein erst kürzlich erschienenes, sehr empfehlenswertes Kinderbuch, das ich hier als erstes vorstellen möchte.

Eine Liebeserklärung an die Fantasie

Botschaft des Fuchses

Über das Buch

Pamela Zagarenski arbeitet als Illustratorin und Künstlerin in Connecticut, USA. Sie ist Gewinnerin der »Caldecott Honor Medal«. Ihr Kinderbuch „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“ erschien im Jahre 2016.

Inhalt von „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“

Ein kleines Mädchen leiht von seiner Lehrerin ein faszinierendes Buch aus. Auf dem Weg nach Hause verliert es alle Buchstaben. Zuerst ist es ganz traurig, aber dann wird das Mädchen von den geheimnisvollen Bildern in eine Welt der Fantasie und der Geschichten entführt. Am nächsten Tag trifft sie auf dem Weg in die Schule den schlauen Fuchs. Er kann dem Mädchen helfen die verlorenen Buchstaben wieder zu finden …

Visuelle Gestaltung von „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“

Allein die visuelle Gestaltung ist wunderschön. Die Bilder erstrecken sich jeweils über beide Seiten und sind voller Detail und Farbenreichtum. Zarte Farben und Strukturen kontrastieren mit leuchtendem Rot, Grün, Gelb und Blau. Ornamente und Kollageartig eingefügte Figuren bereichern die fantastische Bildwelt, die sich aus Fabeltieren, Stadtansichten und fantastischen Welten auffächert. Auf jedem Bild gibt es Details zu entdecken, die eine eigene Geschichte zu  erzählen scheinen.

Pamela Zagarenski: Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben | © Katrin S. Knopp | www.katrin-knopp.de
Pamela Zagarenski: Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben

Psychologische Ebene in „Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben“

Der Text im Buch erzählt eine Rahmenhandlung, der Mittelteil selbst mit den Bildern aus dem fantastischen Buch der Lehrerin ist jeweils nur mit ein paar Sätzen unterschrieben. Diese bestehen jeweils aus dem Anfang einer Erzählung und beinhalten Fragen, so dass der Betrachter animiert wird, sich selbst eine Geschichte oder auch viele auszudenken.
Das Buch regt somit die Fantasie an und ermutigt zum eigenen Denken. Die Zusammenstellung aus realen Ansichten mit Fabelwesen oder unmöglichen Motiven lassen die Bilder im Buch wie Szenen aus einem Traum erscheinen. Dadurch, dass die Rahmenhandlung die Geschichte eines Schulmädchens erzählt identifizieren sich die Leser mit diesem und werden angeregt, eigene Geschichten zu entwickeln bzw. ihre Träume zu reflektieren.

Empfehlung

Das Buch eignet sich nicht nur für Grundschulkinder, sondern auch für jüngere und ältere. Kinder im Kindergartenalter finden Freude daran die Details der Bilder zu betrachten und zu benennen. Empfohlen wird es ab 3 Jahren. Ähnlich wie in einem Wimmelbuch gibt es viele einzelne Motive zu entdecken. Jugendliche und Erwachsene finden sich ebenfalls von der visuellen Gestaltung angesprochen und haben die Möglichkeit tatsächlich erzählerisch eigene Geschichten zu entwickeln. Somit ist das vorliegende Buch ein Schatz an Bildern und eine Ideenwerkstatt für die ganze Familie. Es fördert die Fantasie und Erzählfreude, man muss sich nur darauf einlassen.